Warum fotografiere ich? Warum arbeite ich? Warum lebe ich?

Die Antwort darauf gibt mein persönliches Mission Statement. Es steht für meine Mission, mein Warum, mein Leitbild. Wie ein Kompass gibt es mir Orientierung für mein Wirken.


Das Konzept „Mission Statement“ habe ich bei einem Training „7 Wege der Effektivität“ – entwickelt von Stephen R. Covey – kennen gelernt. Ein Mission Statement ist ein Satz, der persönliche oder unternehmerische Werte und Ziele zusammenfasst.

 

Mein Mission Statement besteht aus vier Teilen, die ich in diesem Beitrag einzeln beleuchte.

 

1.  Kreativität

 

Laut Duden bedeutet Kreativität: schöpferische Kraft, kreatives Vermögen.


Für mich bedeutet Kreativität Leichtigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung. Ich bin frei in meinem Ausdruck. Ich war und bin kreativ beim Fotografieren, beim Zeichnen, beim Schreiben, auf der Arbeit, beim Ropeflow, beim Laufen, beim Häkeln. Das ist meine Lebensart. Nur das Medium ändert sich.

 

Manchmal gibt es kein konkretes Ziel. Ich spiele mit dem, was vor mir ist. Es fühlt sich leicht an.

 

Und manchmal strebe ich einem Ziel entgegen. Einem Konzept, einer Bildidee, die mir vor meinem inneren Auge erscheint. Ich spiele mit dem, was in mir ist. Es gibt keinen konkreten Weg. Ich bin offen, für das was am Wegesrand ist.

 

Kreativität kommt von kreieren. Ich liebe es zu erschaffen. Ich genieße den Prozess, wie aus Rohmaterial mit dem richtigen Werkzeug etwas Neues entsteht. Wie faszinierend ist es, dass beim Häkeln mit Hilfe der Nadel aus einem Faden ein Tintenfisch entstehen kann? Aus Wörtern eine Geschichte. Aus Licht und Schatten und den richtigen Anweisungen ein gefühlvolles Portrait.

 

Ich kreiere, also bin ich.

 

2.  Bewegen

 

Langzeitbelichtungen habe ich für mich als kreatives Mittel entdeckt, um Bewegung sichtbar zu machen.


Das Wort "Bewegen" kommt erstmal banal daher und entwickelt beim Nachdenken seine Vielschichtigkeit und Tiefe. Ich mag dessen Mehrdeutigkeit.

Ich will mich bewegen: meine Hände, meine Beine, meinen Kopf.  Ich bewege mich beim Kreieren, beim Schreiben, beim Laufen, beim Häkeln, beim Reden.

Ich will andere bewegen: sie berühren, ihren Blick öffnen. Ich bewege sie mit meiner Fotografie, mit meinen Texten, mit meiner Sprache.

Ich will die Welt bewegen. Ich will Eindruck hinterlassen. Lieber nicht gemocht als nicht aufgefallen.

„Bewegen“ fasst meine Bedürfnisse nach Wirksamkeit, Selbstentwicklung und Emotionalität zusammen.

 

3.  Klarheit

 

Vor einiger Zeit habe ich meine Kollegen und Familie gefragt, was mich ausmacht. Sie sollten mich in drei Begriffen beschreiben. Meist genannter Begriff: Kreativität. Offensichtliche Antwort - haben wir schon

oben abgehandelt. Was sonst sehr häufig genannt wurde: meine Direktheit.


Wer mich kennt, weiß, dass auch das eine offensichtliche Antwort ist. Ich war schon immer sehr direkt. Als Jugendliche habe ich damit gehadert. Denn oft wurde meine Direktheit sehr verletzend wahrgenommen. Wird sie manchmal immer noch.


Mittlerweile mische ich zu meiner Direktheit auch Wertschätzung bei und bin respektvoller als früher. Nur kann ich das Direkte nicht sein lassen. Hab' gegrübelt, warum ich so direkt bin - direkt sein muss. Und irgendwann ist der Groschen gefallen: so erfülle ich mein Bedürfnis nach Klarheit!


Ich mag keine Maskerade. Aufgesetzte Freundlichkeit ist für mich schwer zu ertragen, weil sie mir wie eine Lüge vorkommt. Von Unhöflichkeit fühle ich mich selten angegriffen. Vielleicht hat der Mensch gerade keine Kapazität für Höflichkeit; hat mit mir wenig zu tun. Denn ich habe auch nicht immer Kapazität für Höflichkeit. Ich will nicht freundlich sein müssen. Je mehr ich muss, desto mehr will ich nicht. Ich will lieber authentisch sein. Je nach Situation zeigen dürfen, wie es mir geht. Wenn es mir schlecht geht, bin ich distanziert. Wenn ich ausgeglichen bin, ist meine Freundlichkeit aufrichtig und echt.


Oberflächlichkeit: auch schwer zu ertragen. Zeitverschwendung. Will ich auf einem Minium halten. Mich zieht es in die Tiefe. Ich will nicht drumherum reden, ich will den Dingen auf den Grund gehen. Am wohlsten fühle ich mich, wenn meine Direktheit wohlwollend aufgenommen wird. Wenn ein Raum entsteht, wo beide ehrlich und verletzlich sein können.


Doppeldeutigkeit: Uff! Noch so ein unerträgliches Ding. Widersprüchliche Signale irritieren mich ähnlich wie aufgesetzte Freundlichkeit. Sie erzeugen in mir Klärungsbedarf. Da haben wir’s wieder: Bedürfnis nach Klarheit!


Ich schaffe Klarheit durch Worte - gesprochene und geschriebene.

 

4.  Verbindung

 

Wenn ich fotografiere, bin ich im Flow. Verbunden mit dem Moment, verbunden mit dem, was vor der Kamera ist. Verbunden mit dem, was in mir ist, meiner Vision. Die Bildidee ist entweder ein Zufallsprodukt aus dem Moment und der Umgebung.  Oder sie entsteht, wenn ich den Menschen in Gesprächen kennenlerne.


Ich liebe es Menschen kennenzulernen, ihre Geschichten zu hören, sie zu sehen, sie zu spiegeln. Und eine Verbindung aufzubauen.


Ich liebe den Austausch mit anderen. Ich verarbeite meine Gefühle durch reden. Am liebsten mit Leuten, die mich gut kennen und mich verstehen. Wenn ich ein Ereignis mit vier unterschiedlichen Freunden bespreche und dadurch aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchte, verarbeite ich es. Wie Puzzle-Teile setzt sich die Erkenntnis zusammen.


Ich liebe es mich zurückzuziehen. Innezuhalten, zu reflektieren, mich auf meine Werte zu besinnen. Und eine Verbindung zu mir zu pflegen.


Verbindung - das ist mein Antrieb für alles.

Warum die Verbindung das Wichtigste ist:

Einmal hatte ich eine Fotosession mit jemandem, den ich flüchtig von der Arbeit kannte. Ich brauchte Bilder für meine Webseite. Er hatte keine Erwartungen und war für alles offen. Perfekte Voraussetzungen! Also habe ich mir eine ganze Liste vorgenommen, was ich ausprobieren wollte.


Beim Shooting war es kreativ, produktiv, fokussiert! Bewerbungsbilder, Minimal Portrait, Close ups, Langzeitbelichtungen, Doppelbelichtung, Dreifachbelichtung… Innerhalb von zwei Stunden haben wir die komplette Liste abgearbeitet. Das hätte ich niemals erwartet. Ich war begeistert! Er hat einfach abgeliefert. Er war von Anfang an super entspannt und hat meine Anweisungen perfekt umgesetzt. Es hat Spaß gemacht und es sind so viele schöne Bilder entstanden, die ich alle veröffentlichen darf. Ich bin so dankbar für seine Offenheit und den Vertrauensvorschuss!

Und dann kam der Kater danach. Uff, ich war erschöpft! Das Gefühl kenne ich gut, wenn ich mich bei einem Shooting 2 Stunden fokussiere und mein Kopf danach leer ist.

Diesmal war da aber noch mehr. In mir hat es rumort. Es kamen Zweifel auf: War es zu viel? Überschreite ich seine Grenzen, wenn ich manche Bilder veröffentliche? Ich wurde plötzlich von Gefühlen übermannt, die gefühlt und verarbeitet werden wollten. Unsicherheit, Unruhe, merkwürdige Traurigkeit, die ich nicht zuordnen konnte.

Und dann die Erkenntnis! Das Shooting ging MIR zu schnell und ich habe MEINE Grenze überschritten. Ich habe mich zu sehr auf die Technik und Optik konzentriert und bin schnell durch den Prozess gehastet. Ich habe nicht innegehalten und mir Zeit genommen, um mein gegenüber näher kennenzulernen. Ich habe nicht erfahren, was ER in den Bildern sieht. Ich habe schöne Bilder kreiert, die ohne Bedeutung blieben. Und die mir wichtigste Komponente hat gefehlt: Verbindung.

Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung, denn sie hat mich folgendes gelehrt: meine verschiedenen Stile erfordern ein unterschiedliches Niveau an Verbindung.


Ein Bewerbungsfoto ist mit einem Smalltalk vergleichbar.


Beim CASUAL Portrait verbringen wir etwas mehr Zeit miteinander und ich darf die Menschen manchmal sogar in ihrer Umgebung kennenlernen. Bei einem MINIMAL Portrait - vor allem die Nahaufnahmen - erfordern Nähe und Vertrauen. Demnach wären beide Stile wie ein längeres Gespräch, in dem wir uns näher kennenlernen.


Und manche kreativen Techniken bleiben DEEP Portraits vorbehalten. Denn wie bei einem tiefgründigen Gespräch geht es in die Tiefe und beide Seiten legen ein Stück ihrer Seele offen. Das erfordert Mut, Verletzlichkeit und beidseitiges Vertrauen.


Danke, dass du bis hierher gelesen hast. Worauf hast du nun Lust? Einen Smalltalk, ein längeres Gespräch oder sogar Deep Talk? Worauf wartest du noch?